Erinnerung ist die Währung

Meine Lieben,

in unserem Gästezimmer am Bodensee hängen mehrere kleine Bilder mit Motiven aus Italien. Früher hingen sie in Bardolino.
Jetzt sind sie eben umgezogen!
Sieht ganz gut aus.
Im Keller habe ich immer noch einige Gemälde eingelagert. Der Auktionator, der kürzlich bei mir war, hat sie zwischen 50 und 150 € max. geschätzt; also es lohnt sich nicht sie in den Katalog zu nehmen.
Für mich bemisst sich der Wert natürlich nicht in Euros, sie stoßen einfach Vergangenes und Erlebtes an.

Jetzt habe ich so ein „billiges“ Bild im Gästezimmer übers Bett gehängt. (Nur ich finde das wahrscheinlich schön und passend.)
„Malerwinkel am Königssee“ heißt es, steht hinten mit Kohlestift geschrieben auf dem Rahmen.

Ich hänge es auf, verlasse das Zimmer, drehe mich um, schau es an.

Es hing im Herrenzimmer über der Heizung, ein großer Heizkörper, ein dunkelbraunes Brett war als Ablage und Abschluss auf dem Heizkörper montiert; auf dieser Ablage waren neben anderen Dingen drei kleine Affen aus Ton. Einer hält sich die Ohren, ein anderer die Augen und der dritte den Mund zu.
Sie standen nicht schon immer da, aber irgendwann sind sie dahin gewandert; wahrscheinlich war auf dem Schreibtisch in der Praxis von Vati kein Platz mehr.

In der Praxis gab es zu Beginn nur ein Sprechzimmer, später dann zwei, der Behandlungsstuhl im Erker, nahe am Fenster, rechts davon ein kleiner Schrank mit den „Folterinstrumenten“.
Der Vati musste nur hinter sich greifen.
Er stand immer rechts, der Bohrer wurde mit einem Gerät am Fuß zum Laufen gebracht.
Der Schreibtisch stand irgendwo in der Mitte des Raumes und wie gesagt darauf standen immer diese drei Affen.

An diesen Donnerstagsfeiertagen, war Familien-Behandlungstag.

Horror!

Fragt mich heute mein Zahnarzt, ob ich vor dem Bohren eine Spritze will, schaue ich ihn in der Regel verständnislos an, schüttle den Kopf, natürlich nicht.
Da bin ich anderes gewöhnt!
Bei Vati hieß das, wenn es dir wehr tut, kannst du den Finger strecken, ansonsten brauche ich aber die Reaktion des Patienten.
Übrigens hat es auch nicht geholfen, wenn man von Anfang an den Finger gesteckt hat.

Vergeblich!

Da könnt ich jetzt noch einiges erzählen, irgendwie war ich ja auch bei den Bildern.

Auf dieser braunen Ablage über der Heizung stand auch noch ein Kofferradio. Bei uns gab es überall, fast in jedem Zimmer ein Kofferradio; naja nicht überall, im Esszimmer da gab es eine Musiktruhe!

Auf jeden Fall standen wir alle um dieses Kofferradio im Herrenzimmer und hörten dort die Nachricht, dass John F. Kennedy erschossen wurde.
Es kam bestimmt auch in den anderen Kofferradios, aber wir waren eben jetzt gerade im Herrenzimmer.

Eben neben diesem Kofferradio, über dieser braunen Ablage hing auch der „Malerwinkel am Königssee“ und als ich mich jetzt im Jetzt umdrehte und ihn an dieser Gästezimmer-Wand sah, fühlte ich mich unwahrscheinlich zu Hause.

Im Gang hängt übrigens jetzt das Stierbild, das über der Kredenz hing ( Wisst ihr, was das ist?) In so einer Kredenz stehen Gläser, Vasen und Teller hinter verschlossenen Türen, aber auch hinter Glasscheiben.

Als Bub war ich ein sehr, sehr langsamer Esser und weil man früher seinen Teller wegen des Wetters leeressen musste, saß ich ewig am Mittagstisch. Der Vati spülte in der Küche schon das Geschirr und ich schaute versonnen auf dieses Stierbild, während ich Gabel für Gabel in mich hineinschob.
Der einzige Vorteil war, dass ich so ums Abtrocken herum kam und mich intensiv mit diesem Bild von F. Marx beschäftigen konnte.

Egal was jetzt alle diese Bilder wert sind; für mich haben sie großen Wert. Geld spielt eben nicht immer eine Rolle, Erinnerungen aber schon!

Erinnerungen sind nämlich die Währung des Lebens!

Ich wünsche euch einen erinnerungswürdigen Sonntag,
Streitet nicht, haltet zusammen und passt auf euch und die anderen auf.

Lieben Gruß aus Amsterdam

Euer Eckhard P/O