Meine Lieben,
durch einen glücklichen Umstand hatten wir die Möglichkeit, zwei Stunden in der Restaurierungswerkstatt des Städels zu verbringen.
Zwei Holbein-Bilder waren das Objekt der Erklärung.
Es war faszinierend; durch moderne Technik wurden wir direkt zur Arbeit des Künstlers geführt.
Die Nase des Hausherrn hatte vorher eine andere Form und die Haube der knienden Frau war früher altmodischer. Man kann annehmen, daß der Auftraggeber diese Änderungen gewünscht hatte und der Künstler logischerweise diesem Wunsch nachkam.
Sprachlos und atemlos tauchten wir in eine längst vergangene Welt ein.
Natürlich ist das auch heute noch so, daß man sich nach den Kundenwünschen richtet.
Außer vielleicht zur Zeit bei der DB und der Lufthansa. Da nimmt eine relativ geringe Zahl an Menschen eine ganze Republik in Geiselhaft.
(Sorry, ich wollte ja in den Sonntagsgedanken nicht politisch werden, aber manchmal geht es eben mit mir durch.)
Zurück zu den Bildern: Wir haben Farben, Schattierungen, Gesichtsausdrücke gesehen bzw. uns wurde das erklärt, was uns alleine wahrscheinlich nie aufgefallen wäre.
Es war umwerfend! (Ich habe mal wieder bedauert, daß ich nicht Kunstgeschichte studiert habe und mich stattdessen mit Personal-Vodoo auseinandergesetzt habe.)
Irgendwie mußte ich an den Faust denken. Wenn man solche Einblicke hat will man immer mehr wissen „was die Welt im Innersten zusammenhält“.
Ja, ja, ich weiß, zusammengehalten wird sie von Naturkräften, es sind vier. Am bekanntesten für uns Laien ist die Schwerkraft, die kann ich noch leicht verstehen, die anderen könnt ihr euch ja mal im Netz zu Gemüte führen.
Aber ist da nicht auch etwas anderes, was uns Menschen zusammenhält?
Liebe, Verständnis, Träume, gemeinsame Erlebnisse?
Gemeinsame Erlebnisse schaffen Verbundenheit.
Wer weiß noch, was in irgendeinem Meeting erklärt wurde… Aber wie er vom Chef zusammengeputzt wurde – ich habe da auch einige Erlebnisse – oder wie man sich auf gemeinsamen Outdoor-Trainings (hoffentlich) gegenseitig unterstützt hat, das bleibt.
Paul wird wohl ewig in Erinnerung bleiben wie er (unbegründet) panische Angst bekam – beim Schwimmen im Wildwasser zu nahe an einem Wasserfall.
Auch der Auftraggeber für dieses Gemälde wird wahrscheinlich, wenn er es Freunden zeigt, immer wieder sagen: „Und wißt ihr, wie der Holbein meine Nase gemalt hat? Unmöglich! Ich befahl ihm umgehend, es zu korrigieren.“
Wahrscheinlich haben sich die Freunde dann hinter seinem Rücken stillschweigend verständigt, daß er eben so eine Nase hat und sie auf dem Porträt wohl sehr geschönt ist.
Aber gesagt hat das ihm natürlich keiner, na vielleicht doch einer…
Ein Freund, von dem man alles verträgt, der einem immer ungeschminkt die Wahrheit sagt.
Ich habe auch so einen.
Wenn es auch immer mehrere Wahrheiten gibt, ist es doch gut, wenn man jemanden hat, der einem seine Wahrheit vorstellt; so kann man vielleicht seine überprüfen und unter Umständen korrigieren.
Micha habe ich immer zugehört, er hat oft den Nagel auf den Kopf getroffen und Kompliziertes wurde einfach.
Er hatte nie egoistische Ziele, was unsere Freundschaft betraf; ich konnte ihm immer vertrauen.
Wie sagt Baltasar Gracián y Morales: „Vertrauen ist die Mutter der Sorglosigkeit.“
Freundschaft, Vertrauen, gemeinsam Erlebtes, Träume und die Hoffnung, daß sich alles durch unser Zutun zum Besseren wendet, auch das hält die Welt zusammen, so wie auch dieses einmalige Erlebnis im Städel.
Ich wünsche euch einen faszinierenden Sonntag.
Haltet zusammen, streitet nicht, paßt auf euch und die anderen auf
und nicht vergessen: „All you need is Love“
Euer Eckhard/Papa/Opa
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