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Dies oder Das

Meine Lieben,

an manchen Tagen bleibe ich am Frühstückstisch länger sitzen. Ich schaue durchs große Fenster über den Tisch, der draußen erwartungsvoll wartet, daß seine Zeit bald wieder kommt.

Mein Blick schweift über die Rosen, die roten; sie haben schon die ersten zarten Knospen. In der Ferne sitzen zwei Raben auf einer großen Tanne.
Die Pappeln am See sehen aus wie umgedrehte Besen, als wollten sie gleich beginnen, den Frühling herbei zu fegen.
Das Alte Fischerhaus hat sich in ein Museum verwandelt; vollgestopft mit Artefakten mehrere tausend Jahre alt, von denen, die hier vor langer, wirklich langer Zeit lebten und versteckt sich hinter einer Birke.

Der Steg wartet auf den Schiffsverkehr, aber das dauert noch ein paar Wochen.
Über dem See fahren auf der Schweizer Seite Spielzeugautos und in regelmäßigen Abständen kommt natürlich auch der Turbo, mal von rechts und mal von links.
Das ist der Schienenbus der SBB und die sind ja hier zuverlässig und pünktlich!

Das Handy läutet – vielmehr es spielt ein Melodie, so weiß ich immer, wer mich sprechen will.
Ich nehm’s mal.
Das kurze Gutenmorgen-Gespräch bringt mich zum Nachdenken. Ist denn das jetzt das richtige Leben? Das hier! Oder das Andere?

Ach, jetzt kommen bald die Rosen, die Narzissen sind schon da, zumindest zum Teil; Forsythien machen sich bereit und was sich sonst noch alles auf den Frühling vorbereitet.
Meine Schildkröten wollen langsam aufwachen, der Agamemnon hat sich schon an die Oberfläche seiner WInterholz-Schlafkiste gearbeitet.
Also muß ich langsam beginnen Futter zu besorgen und die Außenanlage vorbereiten,

Ein bestelltes Buch kann ich nachher im Städtle abholen, die Spülmaschine räume ich gleich noch ein, Termine für Besuche mit verschiedenen Freunden abstimmen, da schau ich nachher mal in meinen Kalender.
Dem Hund geht es heute schlecht, hat sich den Magen verdorben, liegt nur rum, muß mal schauen, daß er auch etwas trinkt, aber der wird schon wissen, was zu tun ist.
Der grüne Tee tut mir gut, Ich trinke morgens meist eine ganze Kanne, also eine kleine, so etwa sechs Tassen sind das.
Ich liebe das Gefühl, wenn er durch die Speiseröhre in den Magen fließt und sich dort ausbreitet, wunderbar!

Ich überlege, was sonst noch alles heute oder in den nächsten Tagen zu tun ist, in diesem meinem Leben.
Ach ja, ich hatte ja mit der Überlegung angefangen, ob das das richtige Leben ist.

Das andere wäre das Leben wie früher oder überhaupt eben ein Leben in der Arbeitswelt. Egal, was man jetzt macht.

Man hat immer einen Chef oder Chefin, Wie singt Bob Dylan? „You have to serve somebody“ .
Es gibt Termine, Kunden, Konflikte, die keinen Sinn machen.
Der berufliche Aufstieg ist gepflastert mit wenigen sinnvollen und vielen sinnlosen Meetings, zumindest von der Dauer, da will sich unbedingt noch der X oder die Y profilieren, es werden Fragen gestellt.
Noch schlimmer ist es in sog. Town Hall Meetings, die sind dann einfach größer und die Sprecher sind in der Hierarchie am Top angesiedelt und wahrscheinlich unglaublich wichtig.

So am Ende der Präsentationen, nach dem Ausblick in die Zukunft, wenn schon viele unruhig auf den Stühlen hin und her rutschen, weil man hat ja auch noch etwas vorhat, räumt der CEO die Möglichkeit ein, Fragen zu stellen.
In der Regel gibt es maximal zwei sinnvolle Fragen und mindestens zehn wie „Habe ich das vorher richtig verstanden, daß über unserem Werksgelände die Sonne im Osten aufgeht und am Mittag den höchsten Stand erreicht?“

Der CEO erwidert dann in etwas so: „Ja, sehr gute Frage, Sie haben das genau richtig erkannt.“
Wenn man dann Pech hat, hat der CEO heut‘ viel Zeit und es gibt bestimmt noch ein paar Profilneurotiker, denen noch intelligentere Fragen einfallen.
Übrigens kann man allgemein feststellen, daß Gesagtes meist nur mit etwas anderen Worten als Frage formuliert wird.

Zum Mäusemelken!

All das geht mir so durch den Kopf, wahrscheinlich gehören beide Leben irgendwie zusammen, aber bei mir ist eben dieses eine jetzt Vergangenheit und ich kann mich nur auf das Hier und Jetzt konzentrieren, und das geht verdammt schnell vorbei.
Und wenn mich jetzt meine Frau anruft und mir sagt, daß sie gerade auf dem Börsenparkett in der Wall Street steht, dann freue ich mich sehr für sie, höre ihr zu, teile ihre Begeisterung und wenn sie dann aufgelegt hat, fahre ich fort, die Tomaten für mein Bruschetta klein zu schneiden.
Anscheinend gehört doch irgendwie alles zusammen.

Ich sitze immer noch am Frühstückstisch habe mehr oder weniger dumme Gedanken; die Zeit, wie lange ich da sitze, spielt keine Rolle, keiner will etwas von mir, ich kann durchatmen und mich freuen, daß die Rente schon wieder auf dem Konto ist, großartig!

What a Life!

Einige von euch sind ja ebenfalls auch in dieser glücklichen Lage und ihr anderen kommt bestimmt auch noch dahin.
Wie schwer man alles erarbeitet hat, ist dann vergessen, aber manchmal muß ich für meine Enkel dann doch die Mutti zitieren:

„ Schaffe isch äbe a Gschäft und von Nix kommt Nix!“

Genau so ist das!

Ich wünsche euch einen ungetrübten Sonntag, mit etwas Musik von Procol Harum.


Hört vielleicht auch mal das Original von 1967 und die Geschichte „Der Tod des Iwan Iljitsch“ von Tolstoi, ist lesenswert.

Paßt wie immer auf euch und die anderen auf,
streitet nicht und haltet zusammen!

Lieben Gruß vom See
Euer Eckhard/Papa/Opa

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