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Dritter Advent/Teppiche/Fahrendes Volk

Meine Lieben,


manchmal denke ich, ich gehöre zum fahrenden Volk.
Im Mittelalter waren das die Gaukler, Spielmänner, Moritatenmaler,
Bänkelsänger, Kunstreiter, Seiltänzer, Scherenschleifer Quacksalber und
Barbiere.


Als kleiner Bub kann ich mich erinnern, daß manchmal solche Fahrenden,
(das ist jetzt das Partizip für das Wort, das man heute nicht mehr verwenden
soll) – meist waren sie zu zweit – bei uns im vierten Stock vor der Tür standen.
Sie hatten einen oder zwei Teppiche über die Schulter geworfen, die sie dann
blitzartig ausrollten und in den höchsten Tönen anpriesen.
Ich weiß nicht, ob meine Eltern je etwas bei ihnen gekauft haben. Auf jeden Fall hatten wir Teppiche, wer weiß, vielleicht war auch einer von diesen Fahrenden dabei.
Also bei mir zu Hause liegen sie auch in jedem Zimmer und wo immer es paßt. Wahrscheinlich kommt meine Begeisterung für diesen Bodenbedecker
aus dieser, meiner Kindheit /Jugend.
Ich liebe diese meist klassischen, orientalischen Muster.
Über ein halbes Jahr bin ich einmal in der Woche in ein orientalisches Teppichgeschäft gegangen. Sie lösten ihr Geschäft auf und reduzierten mehr oder weniger 14-tägig die Preise. Ich hatte einen wunderbaren grünen Seidenteppich ins Auge gefasst und so beobachtete ich den Preisverfall dieses Stückes, bis ich es mir leisten konnte.
Jedes Mal fieberte ich, ist er noch da oder schon weg? Heute verschönert er mein Büro/Herrenzimmer.


Auf einem Basar in Istanbul kaufte ich mir mal einen grünlichen, wunderschönen Gebetsteppich.
Ich scheue mich zu erwähnen, was der gekostet hat, die Mutti würde sagen „Isch nix billigs gwä.“
Vielleicht hätte ich besser handeln sollen, aber mein Herz war entzückt und der Geldbeutel hat die Augen zugedrückt.
Ich habe aber auch einen modernenTeppich, sehr farbenfreudig, liegt im
Schlafzimmer; hätte ich wahrscheinlich nicht gekauft, aber einem geerbten
Gaul, in dem Fall Teppich schaut man nicht ins Maul.
Es ist eigentlich kaum zu glauben, wie strapazierfähig diese Teppiche sind.
Ein gut gepflegter, handgeknüpfter Teppich kann Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte halten und wird in manchen Familien von Generation zu Generation weitergegeben, habe ich mal gelesen.
Bei uns im Süddeutschen, vielleicht auch nur in meiner Heimatstadt hat man einen sehr engen Bezug zu Teppichen. Wenn ich früher mit meiner Freundin ins Freibad ging, stellte einer meist die Frage „Hasch du an Debbich dabei?“
Mit Debbich (Teppich) meint man eine Decke.
Also der Orient ist überall sogar im Wartber Freibad.
Teppiche nicht, aber aber manchmal Flaschen- und normale Bürsten sowie
Besen hat meine Mutter an der Tür gekauft. Das wurde meist in Blindenwerkstätten hergestellt und dann im Direktvertrieb an den Mann/die
Frau gebracht.
Der Ölmann brachte kanisterweise das Salatöl in den vierten Stock und vom Dorle haben wir Hägenmark an der Glastüre gekauft, das dann die Mutti in eine wunderbare Marmelade verwandelt hat
Nein, Scherenschleifer ist beileibe kein Schimpfwort, sondern ein sehr notwendiger Beruf. Ein solcher Fahrender hat mir kürzlich in Hofheim auf der Straße wieder alle Messer geschärft, die meine bessere Hälfte wider besseres Wissen in der Spülmaschien über das Jahr abstumpft.


Und Barbier… ja Barbier ist heute wieder ein sehr sehr angesehener Beruf.
Die gehören nicht mehr zu den Fahrenden, auch wenn die meisten von weit her angereist sind bzw. ihre Altvorderen.
Barbershops gibt es heute fast an jeder Ecke, ähnlich wie Nagelstudios und
Thai-Massage-Salons.
Zurück zum fahrenden Volk, ich bin unzweifelhaft Teil des Volkes, aber nicht
zum Fahrenden, eher zum ganz normalen Autofahrenden.
Wenn ich vom See in regelmäßigen Abständen nach Norden fahre, dann ist das ein bißchen für mich wie eine Reise durch meine Vergangenheit.
Die 81 führt mich durch bergige Landschaften, unmerklich geht es so hoch, daß öfters schon mal Schnee liegt, Stuttgart lasse ich rechts liegen und dann in Pforzheim, das ich links liegen lasse, stehe ich dann im Stau, seit Jahren
ein Nadelöhr.


Man kann dann sehr schön seine Gedanken schweifen lassen, wie das so
war, damals.


Habe ich alle Hausaufgaben abgeschrieben für den heutigen Tag? Gestern Nachmittag hatte ich nämlich vor lauter, lauter keine Zeit, also bleiben nur die paar Minuten vor der ersten Stunde.- Während meiner Lehrzeit auf der Bank fragte ich morgens schon meine
Mutter: „ Was gibt es heute zu essen?“ War das nicht ganz nach meinem Gusto, entschied ich mich auf Essensmärkchen der Bank in einem Lokal etwas zu mir zu nehmen; Linsen und Spätzle oder ähnliche Köstlichkeiten.


Wann und wo das war mit dem ersten Kuß.
Ich weiß das logischerweise noch ganz genau, auch wie sie hieß (wird aber
nicht verraten), wie sie aussah, daran kann ich mich nicht mehr ganz genau erinnern, auf jeden Fall einmalig.
Pforzheim lassen wir jetzt hinter uns, kurvenreich geht es weiter, pass auf bei der Colande Kurve, pflegte meine Mutter zu warnen.
Gisela von Colande, eine Schauspielerin, verunglückte dort tödlich.


Wenn man dann runter ins Rheintal fährt, liegt die badische
Landeshauptstadt vor einem und man kann über die Stadt bis in die Pfalz
schauen.


Dort habe ich…, aber da mach ich jetzt nächsten Sonntag mit dieser Reise
weiter, sonst wird das für heute zu lange.
https://youtu.be/XSbnrPSuwQY?feature=shared
Ich wünsche euch einen erleuchtenden dritten Advent.


Paßt auf euch auf, streitet nicht, haltet zusammen.


Lieben Gruß aus Hofheim


Euer Eckhard/Papa/Opa

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