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Buddha

Meine Lieben,

da steht er auf dem Regal in meinem Büro.

Übrigens sage ich nicht gerne Büro, klingt irgendwie nach Arbeit, nach Geldverdienen, nach Pflichten, ihr wißt schon, was ich meine. Ich nenne es lieber Herrenzimmer, obwohl in einem Herrenzimmer auch eine Couch stehen müßte, so eine wie der Vati hatte, zum Lesen und für den 20-minütigen Mittagsschlaf. Mein Herrenzimmer fungiert zeitweise eben auch als Büro, mit allen Unterlagen, die man im Leben benötigt, in vielen verschiedenen sehr individuellen Ablagesystemen. Inzwischen weiß ja jeder, daß ich ein schlechter „Wegwerfer“ bin.

Deshalb sind diese Ablagesysteme eher Aufbewahrungsorte und systematisch sind sie nur sehr rudimentär. Das hat den ungeheuren Vorteil, sollte man etwas nicht sofort finden, dann findet man eben etwas anderes, was man irgendwann mal suchte und damals nicht fand, sowie Unterlagen und Dinge, an die man schon lange nicht mehr dachte.

Überraschung!

Wer steht da auf dem Regal?
Na, der Buddha, genauer gesagt, er sitzt. Etwas gelblich, soll wohl aussehen wie Elfenbein, schwer ist er auch, um es genau zu sagen: 1,3 kg. Durchmesser des Sockels, auf dem er sitzt, 12 cm und hoch ist er ca. 15 cm. Sitzriese! Wenn ich ihn so anschaue, muß ich sagen, daß er eigentlich nicht sehr freundlich schaut.

Ich habe ihn in Salò am Gardasee auf dem Markt erstanden. Die Gabi und ich waren mit dem VW-Bus (glaub ich wenigstens) auf einem Campingplatz in der Nähe (Matera del Garda) und haben wahrscheinlich einen kleinen Ausflug nach Salò auf den Touristenmarkt gemacht. War ein sehr schöner Zeltplatz mit einer kleinen, vorgelagerten Insel, Isola San Biagio. Zu Fuß konnte man durch seichtes Wasser auf das Inselchen gehen.

Ich war früher schon mal hier, mit meinen Eltern und meiner Schwester. Damals waren wir vorher in Bozen im Hotel, meine Eltern hatten sich dort mit Bekannten getroffen und wir haben ein oder zwei Nächte Station gemacht. Weiter ging’s dann, wie gesagt, eben auf diesen Campingplatz. Seitdem mache ich meine Spaghettisauce genau so, wie es die Italienerin, die mit drei kleinen Kindern neben uns zeltete, es mir beibrachte. Ich hatte bei ihr einen kostenlosen Kochkurs mit anschließendem Essen.

Also, wir waren auf diesem Campingplatz, und übrigens: Das mit dem VW-Bus stimmt nicht (ich war mir nicht ganz sicher und habe deswegen extra die Gabi angerufen). Sie wußte noch genau, daß wir dort mit einem kleinen Drei-Mann-Zelt waren, mit orangem Dach und blauem Unterteil. Es hätten gerade so zwei Luftmatratzen reingepaßt und noch ein bisschen Kochgeschirr. Und eben damals haben wir diesen Ausflug nach Salò gemacht. Ich kaufte einen Ledergürtel, den ich fast 50 Jahre hatte (vor ein paar Jahren habe ich ihn schweren Herzens entsorgt) und eben diesen Buddha.

Der Buddha, der steht (sitzt) noch immer bei mir. Gott sei Dank!

Das Zelt, das weiß ich jetzt alles von der Gabi, hatten wir an einem wunderschönen Platz auf einer Klippe mit Blick auf die Rocca aufgestellt.

Sturmwarnung!

Die Gabi meinte, ich sollte das Zelt doch mal mit großen Steinen (halben Felsen) beschweren, habe ich auch gemacht, Problem war, es war kein Platz mehr für uns. Wir sind dann zu den Nachbarn in den Campingbus geklettert und haben dort die Nacht überlebt, sprichwörtlich.

Wir hatten dann am nächsten Morgen von dem Ganzen genug und haben uns auf die Heimfahrt gemacht. Unterwegs wurde ihr, sagt sie (die Gabi), nach dieser Nacht und einem eiskaltem Bier so übel, daß ich gerade noch in letzter Not auf einen Rastplatz fahren konnte, die Menschen, die da picknickten, waren bestimmt geschockt, als sie die Gabi erlebten, die war aber selbst auch geschockt …!

Irgendwie wollte ich eigentlich vom Buddha erzählen und wie ich jetzt auf diesen plötzlich komme.
Also, das war so, eines Morgens beim Hundespaziergang bemerkte ich einen blauen, sehr schlanken Buddha, der auf einer Holzkiste saß, die wiederum vor einem kleinen Haus stand.
Er blickte versonnen in den kleinen Park gegenüber, vielleicht auch weiter bis zum Bootsanleger. Ich nehme an, er wartete auf den Sperrmüll und verbrachte nun seine letzten Stunden, wie es sich für einen Buddhisten gehört, in stiller Meditation. Wahrscheinlich sinnierte er darüber, wie das mit der Reinkarnation ist und als was … usw.

Wieder zuhause habe ich deswegen meinen kleinen, dicken Buddha mit ganz anderen Augen angeschaut.

Nachdem ich als Teenager Siddharta von Hesse gelesen hatte, bin ich logischerweise zum Buddhismus gekommen, habe mir verschiedene Bücher gekauft, mich eingehend damit beschäftigt, war begeistert. Ich denke, das ist normal, daß man sich im Laufe seines Lebens für Spirituelles interessiert, dies und das ausprobiert, mal sich mit Buddhismus, mal mit Hinduismus, den germanischen Gottheiten, dem Islam, dem Judentum und dem Shintoismus beschäftigt.
Das Christentum umgibt uns in unserer Gesellschaft wie selbstverständlich, vielleicht beschäftigt man sich, speziell als junger Mensch, dann eher mit etwas anderem, Außergewöhnlichem. Heute weiß ich, daß man in allen Religionen etwas findet, das einem die Augen öffnet.

Der Humanismus hatte es mir dann irgendwann angetan, übrigens waren die bedeutendsten Humanisten Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin. So habe ich auch in dem Zusammenhang endlich verstanden, warum das Reuchlingymnasium in Pforzheim heißt, wie es heißt, und warum es ein humanistisches Gymnasium ist. Johannes Reuchlin, ein Sohn der Stadt, hat übrigens anscheinend ein interessantes Leben gehabt, ich besorge mir mal eine Biographie.
Von Reuchlin kommt man dann leicht zu seinem Ziehsohn Philipp Melanchthon, durch ihn kam Luther auf die Idee, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen … Jetzt vergaloppiere ich mich mal wieder, aber es ist ja auch sehr schön, wenn man etwas dazulernt.

Da kommt mir natürlich in den Sinn, daß ich unglaublich viel Lebenszeit mit unwichtigen Dingen verplempert habe. Ich hätte so viel mehr lesen können, dadurch noch so viel mehr lernen und verstehen können. Jetzt, da die Zeit immer kürzer wird, habe ich Bedenken, daß ich nicht mehr alles schaffe, was ich mir vorgenommen habe, aber versuchen will ich es!

Zum Lesen … geht mal auf Wikipedia und schaut nach Melanchthon und Reuchlin, interessant!,
und Musik:

Ich wünsche euch einen angenehmen Sonntag,
streitet nicht, haltet zusammen und paßt auf euch auf

Lieben Gruß vom See

Euer Eckhard/Papa/Opa

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