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Glück und Talent

Meine Lieben,

kennt ihr das? Eine Welle des Glücks schwappt in unser Herz oder unsere Seele, das Gehirn und sonst wohin. Ihr wisst bestimmt, was ich meine.

Es ist Dienstag, nach dem Frühstück beschließe ich, mich nach draußen zu setzen; mitsamt Laptop, Telefon, Kopfhörer, einer kleinen Teekanne, es ist noch etwas Sencha vom Frühstück übrig, meiner japanischen Teeschale und schaue.

Der Himmel ist soo bayrisch, obwohl wir hier in Baden sind, also weiß-blau.
Eine leichte Bise, wie die Schwyzer sagen, weht von Nordosten
Der Oleander versucht nochmals zu blühen, die Rosen wetteifern sonnengleich in rot, weiß und gelb.

Unten am See reden die Pappeln mit dem Wind; vielleicht reden sie auch untereinander und der Wind transportiert nur ihre Worte.
So genau kann man das nicht sagen, die Sprache des Windes und der Blätter sind schwer auseinanderzuhalten.
Überhaupt hat mich schon als Kind fasziniert, wohin die Wolken reisen und wie der Wind aussieht. In Bilderbüchern war er immer ein Gesicht, das mit weitem offenen Mund kräftig gepustet hat; die Haare waren irgendwie nach hinten, also hat ihm vielleicht ein anderer Wind entgegen geblasen. Wenigstens hat das so ausgesehen.

Das mit dem Glück ist schon seltsam. Man weiß nicht, woher es kommt und auch nicht, wie lange es bleibt. Meist bemerkt man es auch gar nicht. Man ist nämlich glücklich, weiß es nicht, denkt das sei „normal“ oder sogar unglücklich, einfach, weil man keinen Vergleich hat.
Versucht mal euren seelischen Zustand mit dem irgendeines anderen zu vergleichen; dann merkt ihr, dass ihr glücklich seid.

Ein bisschen ist das, wie mit Talent. Hat man ein Talent, dann weiß man das nicht. Also mir ging das jedenfalls immer so.
Es gibt natürlich Menschen, die wissen, in was sie gut sind oder welche Gabe sie haben. Aber da sie das jedem laut entgegen schleudern, wendet sich das Gegenüber mit leichtem Grausen ab und so hat diejenige von dieser Fähigkeit auch nichts.
Talent wird meist von anderen entdeckt und wenn man Glück hat, zum Ausdruck gebracht.

Für mich ist es normal, mich auch nach zehn Jahren zu erinnern, wann ich in dieser Stadt in die Straße „Bismarkstraße Nummer 6“ abbiegen muss.
Es erstaunt mich, dass meine Mitfahrerin sich nicht mehr erinnern kann. „Aber hier waren wir doch schon mal vor einigen Jahren!“ „Du bist eben talentiert darin, dir unwichtige Sachen zu merken, ich habe ein Navi!“

Ok, immerhin ein Talent und das mit den unwichtigen Dingen stimmt auch. Begeistert merke ich mir Dinge, die im Leben keine große Rolle spielen, warum es ADIDAS heißt, von wo nach wo Bertha Benz die erste Autofahrt gemacht hat, wer Mercedes war, bevor sie ein Auto wurde und und und……

Jetzt kann man natürlich behaupten: Wer sonst nichts weiß, merkt sich eben diese Nebensächlichkeiten. Stimmt!

Aber…

…erstens besteht das Leben in der Regel sowieso aus unzähligen Nebensächlichkeiten und zudem sind wir auch meist nicht so wichtig, wie wir denken.

…zweitens kann man eben mit diesem Wissen doch Eindruck machen, denn von einem studierten Physiker/Chemiker/Arzt oder Ingenieur erwartet man einfach, dass er wissend ist.
Aber bei unwichtigen Dingen nicken doch einige und bestätigen, dass sie das jetzt nicht gewusst hätten und für einen kleinen Moment ist man der Riese im Rund.

Nochmal zu Glück, ich habe mal in einem Weihnachtsbrief über eines meiner Lieblingsmärchen „Hans im Glück“ geschrieben.
Das Märchen kennt ihr ja alle und wenn nicht, solltet ihr es mal wieder lesen und es auch mal mit anderen Augen betrachten.
Hans ist am Ende froh, glücklich von einer schweren Last befreit zu sein.
So irgendwie passt diese Geschichte vom „verlieren“ ja nicht in unsere heutige Welt. Anscheinend hat Hans aber ein anderes Wertesystem, strebt nicht nach Offensichtlichem will dieses „Unsichtbare“ finden.

Vielleicht ist das ja das Glück nach dem alle streben und oft nicht merken, dass es bereits auf der Schulter sitzt, einfach nur da ist.

Man stellt dann vielleicht fest, dass man eigentlich viel weniger braucht als man glaubt.
Man kann zur gleichen Zeit nur ein Schnitzel, egal ob fleischig oder vegetarisch essen, zur gleichen Zeit nur ein Auto fahren, hat nur eine Gesundheit nur eine Lebenszeit und die, die ist übrigens nicht vermehrbar.

In der Vergangenheit habe ich mir oft die Frage gestellt, ob ich durch die Zeit gehe oder die Zeit durch mich. Heute weiß ich, ich bin die Zeit. Keine Zeit zu haben, gibt es deshalb nicht. Zeit ist vielmehr das einzige, was einem gehört. (Seneca, 1. Brief an Lucilius, da kann man das sehr schön nachlesen)

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts betrachtet und nur im Blick zurück weiß man, was man vielleicht anders gemacht hätte.
Doch um zu lernen und sich neu auszurichten soll man, auch wenn ich es nicht immer einfach finde, von Zeit zu Zeit innehalten, sich besinnen und gegebenenfalls sich neu definieren.

Frei nach Oskar Wilde „Am Ende wird alles gut und ist es noch nicht gut, dann ist es noch nicht das Ende.“
wünsche ich euch einen glücklichen Sonntag,
passt auf euch und die anderen auf,
streitet nicht, haltet zusammen.

Lieben Gruß vom See (gleich auf dem Weg nach Hofheim)
https://youtu.be/Wj-PlNXPCFc?si=Kuj5_3wUNbxjfB7D

Euer Eckhard/Papa/Opa

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