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Alle Neune

Meine Lieben,

letzte Woche war ich bei der Renate, da bin ich ja in regelmäßigen Abständen, seit sage und schreibe 38 Jahren! Renate hat einen Friseur-Saloon, stop … das schreibt man doch nur mit einem „ o“: Salon. Im Saloon pokern sie, schlagen das Mobiliar kaputt und schießen den Kronleuchter von der Decke. Übrigens, laut Wikipedia kommt der „Wildwest“-Saloon vom französischen Salon, war also nicht ganz falsch!

Nun, während der Verschönerungsprozedur (auch wenn es nicht viel nützt) griff Renate nach einem kleinen Fläschchen, das vor ihr am Spiegel mit anderen Essenzen stand, um mit diesem Elixier meine Haare etwas geschmeidiger zu machen, glaube ich. Wie dem auch sei, sie war zu stürmisch und die ganze Batterie an Mitteln fiel um.

„Alle Neune“!
„Kegeln Sie?“ – Ja, ab und zu, so zum Spaß, meinte sie.

Bowling ist ja der amerikanische Kegelbruder und ich habe das Gefühl, daß mehr Menschen heute bowlen anstatt kegeln. Ich kann mich erinnern, daß sich der Opa mit der Oma und Bekannten ab und zu abends oder am Wochenende zum Kegeln trafen.

Die Oma war mit ihrem Frauenkränzchen immer mittwochs im Goldenen Adler, die hatten im Untergeschoß eine Kegelbahn, ich habe sie als Bub oft dort abgeholt, weil mittwochs war bis zu einem gewissen Alter mein „Oma-Schlaftag“. Warum gerade mittwochs? Weil da der Opa in die Singstunde ging und erst später nach Hause kam.

Wir haben dann zusammen zu Abend gegessen und uns unterhalten, aber auch viel gemeinsam gespielt, meist Stadt, Land, Fluß oder irgendein Brettspiel wie Mühle, Dame, die Oma spielte gerne Halma.

Anfang der sechziger Jahre, als Oma und Opa dann ein Fernsehgerät hatten – lange vor uns, wir bekamen das erst zur Weltmeisterschaft 1968 (das ist die WM mit dem dritten Tor) –, haben wir das mit dem Spielen hintenangestellt und zusammen in die Glotze geschaut, natürlich nicht so extrem, wie man das heute tut, aber trotzdem wurden gemeinsame Spielabende weniger und waren nicht mehr so interessant.

Ich kann mich eigentlich nur an positive Zeiten bei meinen Großeltern erinnern, auch wenn die Oma schon streng sein konnte und das Spätzlebrett manchmal bei ihr recht locker saß. Aber geliebt habe ich meine Großeltern, auch wenn ich vielleicht nicht genau wußte, was das war. Respekt habe ich gehabt, aber auch da habe ich nicht genau gewußt, was das war. Höflich grüßen, wenn man sie traf oder besuchte (Hand geben, als kleiner Bub einen „Diener“ machen) und auch entsprechend wieder verabschieden, logischerweise keine freche Antworten oder unverschämte Fragen, sie eben nicht behandeln, als wären sie Gleichaltrige.

Das alles hat zu tun mit entsprechenden Umgangsformen, Verhaltensweisen, die Respekt, Rücksichtnahme und Höflichkeit ausdrücken, wie zum Beispiel sich zu entschuldigen, wenn notwendig, pünktlich, zuverlässig zu sein, eine respektvolle Sprache zu verwenden, das wäre auch heute speziell in den (un)sozialen Medien sehr notwendig!

Heute wird dieser Begriff Respekt oder „respect“ meiner Ansicht nach inflatorisch verwendet und vielleicht halten sich dann immer weniger an gewisse Formen, die einfach im Miteinander das Leben angenehmer und leichter machen, weil ein bissl Respekt geht nicht.

Wenn schon, dann: „Alle Neune“!

Ich wünsche euch allen einen angenehmen Sonntag,
paßt auf euch auf, streitet nicht und haltet zusammen.

Lieben Gruß vom See
Euer Eckhard/Papa/Opa

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