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Maßhalten

Meine Lieben,

da ich zur Zeit noch ein bisschen eingeschränkt bin, fällt es mir schwer eine Armbanduhr mit meiner rechten, verletzten Hand am linken Arm zu befestigen.
Also habe ich mich entschlossen eine der vier Taschenuhren, die ich besitze, mit mir in der oberen Brustasche, spazierenzutragen,
Sie ist golden, mit auf der Rückseite eingraviertem Datum – 1.9.1947 – 1.9.1968.
Der Opa hat sie bekommen, als er den Ruhestand antrat.

Eine kleine Krone, so ist es im Moment nicht einfach für mich, sie aufzuziehen, aber es klappt und sie geht ziemlich genau.

Wenn ich jetzt zum Beispiel irgendwo warten muß, zum Beispiel in einer Arztpraxis, dann ist es ein leichtes, sie aus der Brusttasche zu nehmen, sie zu betrachten und auch ans Ohr zu halten.
Das macht man natürlich bei einer Armbanduhr nicht – ich meine sie ans Ohr halten – aber bei ihr bietet sich das an. 
Vornehm, leise aber stetig tickt sie das Leben weg.
Bei so einem Ticken wird einem dies bewußter, wenn ich vor dem Wartezimmer Stimmen höre, Regentropfen ans Fenster klatschen, eine Polizeisirene auf der Straße entlangfährt und sich langsam entfernt, dann weiß ich, daß alles, alles einmalig ist.

Weggetickt!

Leider lebt man sie nicht so, diese Einmaligkeit, aber wenn man es ticken hört, dann spürt man das, dann geht das unter die Haut bzw. direkt dahin, wo es hin soll

Richtig aufgezogen läuft die Uhr so anderthalb Tage, dann muß man wieder eingreifen.

Wahrscheinlich sind wir auch alle aufgezogen und es ist vorbestimmt, wie lange das läuft. Heute versuchen wir ja das etwas hinauszuzögern, aber das ist bestimmt auch schon alles eingerechnet.

Weiß jetzt nicht, ob das so stimmt, ob man das so einfach behaupten kann,

Die Menschen glauben ja meist nicht mehr an den lieben Gott, außer sie sind in Not.
Trotz allem braucht man etwas „Heiliges“!

Da bietet sich doch für viele anscheinend der eigene Körper an. 
Man verzichtet auf dies und das, bringt alle möglichen Opfer, um seine Heiligkeit bei Laune zu halten.
Private und industrielle  Initiativen sind mit missionarischen Eifer dabei, diesem Götzendienst zu huldigen.
Und die zu dicken und die zu dünnen, die zu viel Fleischesser, die Raucher und noch viele andere mehr werden mit strengem, moralischen Blick als Sünder gebrandmarkt.

Ok, ok, macht ja zum Teil auch wirklich alles Sinn, ich denke, wenn man sich an den schönen Spruch von unserem ehemaligen Wirtschaftsminister, später Bundeskanzler, „Vater der sozialen Marktwirtschaft“ Ludwig Erhardt hält – „Maßhalten“ – dann ist das genau richtig. 
Jegliche Übertreibung ist ungut.

Aus verschiedenen Gründen ist Brunello für eine Woche in der Huta (Kita für Hunde) und ihr glaubt nicht, wie er mir fehlt. So ein Hund ist eigentlich wie ein Mensch, nur etwas haariger. Er liegt zwar ruhig während der vierstündigen Fahrt nach Hofheim hinten in seiner Box und trotzdem merke ich, daß er jetzt nicht da ist. 

Verrückt!
Erst, wenn man etwas nicht mehr hat, weiß man, was einem fehlt. 

Grundsätzlich muß ich aber sagen, daß ich zufrieden bin.

Zufriedenheit erscheint manchen ja als Resignation; ich denke eher, dass das das wahre Glück ist. 

Nach Mayring ist Freude ein situationsabhängiger, vorübergehender Zustand; 
Zufriedenheit wurzelt in der Persönlichkeit, sie ist Ausdruck des Wesens eines Menschen, das Resultat einer grundsätzlichen Haltung dem Leben gegenüber – und daher besonders langanhaltend. 
Glück liegt in der Mitte,  es ist zum einen  flüchtig, zum anderen geht das Empfinden auf das Wesen des Menschen zurück.

Also konzentriert euch auf die Zufriedenheit, sie ist langlebiger und unabhängig von äußeren Ereignissen, die können wir meist sowieso nicht beeinflussen.

Ich wünsche euch einen zufriedenen Sonntag.
Paßt auf euch auf, streitet nicht und haltet zusammen.         

Lieben Gruß aus Sopot
Euer Eckhard/Papa/Opa

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