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Analog und Digital

Meine Lieben,


am Esstisch in Hofheim, Hundespaziergang erledigt. 
Frühstück, eine halbe Brezel mit Mohn und eine normale mit Salz, ja auch noch ein wachsweiches Ei. 
Die erste Tasse Tee hatte ich schon getrunken, ich trinke immer aus Tee- oder Kaffeetassen, diese Becher oder Mugs wie man heute sagt haben für mich keinen Charme.

Es war still. Brunello hatte sich, nach seinem morgendlichen Toastbrotfrühstück auf seinen Platz zurückgezogen und schaute von weitem zu mir herüber. 

Normalerweise würde ich jetzt Zeitung lesen, digital.  Musik, Nachrichten mit dem Handy anhören, aber ich hatte das Telefon, ich denke im Auto, das steht in der Garage, vergessen.
So war ich ganz alleine unter dem Blick des Hundes, leisem Verkehrslärm von draußen, ja und ein paar Spatzen, die sich vor dem Fenster aufführten! 
Nur ich und meinen Gedanken, die wie Wellen an den Strand schlugen, wieder zurückliefen, wiederkamen von neuen abgelöst wurden.

Ich kann sie nicht alle beschreiben, weil mit den Jahren sammelt sich doch einiges an und man hat Mühe dies oder das festzuhalten. Man atmet durch, ist hoffentlich mit sich und der Welt zufrieden und fragt sich des öfteren wie es weitergeht.
Denkt an Menschen, die man verloren hat, egal ob gestorben oder wo sich einfach die Wege getrennt haben. 
Nicht im Streit, meist nur so, Lebensabschnittsfreunde, wenn die Zeit vorbei ist, bleibt nur die Erinnerung.

Die Uhr schlägt 9, Mutti-Zeit, da habe ich sie in den letzten 10 Jahren, jeden Morgen angerufen, deswegen.
Am Wochenende haben mein Bruder und ich begonnen die Wohnung auszuräumen. 66 Jahre hat sie hier gelebt, ihr könnt euch kaum vorstellen wieviel sich dort ansammelt. Es war für uns eine schwierige Aufgabe nicht nur emotional, sondern auch ganz praktisch. Unsere Mutter hat mehr oder weniger nichts weggeworfen, alles aufbewahrt und so sind wir eben erzogen, beide sehr schlechte „Wegwerfer“!
Es ist schon unglaublich wieviel einem einfällt, bei einer Kanne aus der wir Kakao getrunken haben oder ein Fisch aus Keramik den man Pudding füllte, abkühlen ließ und dann stürzte. 
Unglaublich! 

Mein Schweizer Freund hatte sich heute auch schon sehr früh gemeldet, fragte, ob ich ihn zur Physio fahren könne, weil sein Auto, ein Volvo, nicht wolle, wie er wolle.
Tja, ein Volvo, aber ich bin hier in Hofheim und er ist dort am See. 
Hier und dort, ist eigentlich egal, man kann immer zusammen sein, wenn auch nicht immer physisch. 

Ist das euch auch schon aufgefallen, früher konnte man den Tacho im Auto beobachten wenn er sich auf die nächste Zahl drehte, so ganz langsam von beispielsweise 9999 km auf 10000 km, das fand ich immer super, habe dann während des Fahrens  immer dahingeschielt um es ja nicht zu verpassen!

Bei meinem neuen Auto habe ich jetzt auch auf diesen Moment gewartet, von 9999 auf 10000. 
Nichts! 
Nichts, hat sich bewegt, unmerklich war digital plötzlich die zehntausend da.
So langsam und bewusst, so analog, fand ich das irgendwie viel besser. Ist das Leben heute vielleicht auch so, schnell, kaum merklich geht es vorbei und man merkt gar nicht wie der Tacho sich weiterdreht?

Naja, gut hat es das Leben mit mir gemeint, wenn ich so zurückschaue. 

Glück habe ich gehabt, in vielen Dingen und das bisschen Unglück habe ich überwunden, eben mit ein bisschen mehr Glück. 

Die Sonne kommt jetzt ein bisschen hinter den Wolken hervor.

Ich werde jetzt wohl den letzten Schluck Tee trinken, aufstehen, das Telefon aus dem Auto holen und mich in die Außenwelt zurückbeamen. 

Mal sehen, vielleicht bleibe ich auch noch ein wenig sitzen. 

Lehne mich zurück, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, schaue über die Dächer der Altstadt und warte auf die nächste Gedankenwelle, die kommen ja unaufhörlich, manchmal muss man einfach versuchen ein paar Tropfen festzuhalten, soweit das bei Wellen eben geht, wenn nicht, hofft man eben, dass man beim nächsten Anlaufen ein paar weitere Einzelheiten festhalten kann.
So ist das! 

Und es geht eigentlich nie darum, wo man ist, was man tut oder was man besitzt, es geht nur darum, bewusst zu sein, bei sich, vielleicht eher langsam als digital!
Und sich klar zu sein, dass man das meist selbst in der Hand hat!
Ach ja, und loslassen muss man können, das dauert meist eine ganze Weile, aber irgendwann ist es dann soweit

Passt auf euch und andere auf.

Streitet nicht und haltet stattdessen zusammen.

Lieben Gruß aus Hofheim

Eckhard O/P

5 Kommentare

  1. Timo Marks

    Hi Ecki, sehr schöne Gedanken mir ist spontan der Gedanke gekommen den auch Flex in Text gefasst hat.
    Plattenspieler vs Spotify. Habe mir ganz bewusst einen zugelegt, obwohl ich diese analoge Technik nur aus meiner frühen Kindheit kannte. Meine Eltern hatten relativ früh schon einen CD-Player und der hat mein Musikkonsum bisher am längsten (länger als CD und die kurze Epoche MiniDisk und noch kürzer MP3 Player) begleitet bevor er durch Spotify ersetzt wurde.
    Freu mich auch die nächsten Sonntags Gedanken
    Grüße aus KA (PS: Was so ein Ausversehen-Anruf alles bewirken #butterflyeffect
    Dein Timo

  2. JP

    Salut mon pote … schöne Gedankenwellen … das Hin-und Her … das Hier-und-Dort … ich da – Du dort … Du da -Ich dort … der Volvo will, wie ich es will … die Kröten mit dem dicken Schild verstecken sich … die eine da, der andere dort … und fressen kaum … Tomaten reifen noch und fallen faulend auch … die Luft ist klar … der See liegt grau … bis bald, wenn Du dann wieder da … 😉

  3. Kathrin

    Es ist immer eine kleine Auszeit deine Sonntagsgedanken zu lesen.
    Danke dir dafür!

    Liebe Grüsse

    Kathrin

  4. Henry Haug

    Ich mag deine Sonntagsgedanken sehr.
    Da sind so viele Parallelen.
    Das schätze ich !!!!
    Habt ihr die Fisch Puddingform noch?
    Wir hatten auch eine. Leider bei meiner Schwester.
    Wenn sie niemand möchte und sie noch existiert …….
    Grüße
    Henry

  5. Flex

    Analog vor Digital!
    Das fängt beim Bewussten Aussuchen der Schallplatte an, welche ich gerade hören will!!
    Ich lasse mir doch nicht von einem Algorithmus vorschreiben was ich hören soll…
    Wir haben unseren eigenen Algorithmus aus Erfahrung, Emotion/Stimmung und Wissen….
    God save the vinyl!

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