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Langsam

Meine Lieben,

auf dem Weg zum Einkauf, hielt ich kurz vor Weiler, das ist ein kleiner Ort in der Nähe des Sees, auf einem Parkplatz. 

Ich ging links mit dem Hund am Wald entlang, rechts sind Felder, Mais und Weizen. Nach einiger Zeit kommt man an eine Weggabelung. 

Ein Kreuz, daneben eine Bank. Ich setzte mich auf die Bank, Brunello in den Schatten neben mich. Schaut man nach links sieht man die ersten Häuser des Dorfes, geradeaus hinter den Feldern, die Straße, dann ansteigende Hügel, Wald. Der Himmel ist blau, Cirrus Wolken, es hat etwa 24 Grad, ein angenehmer, kühler Wind streicht vom Wald über die Felder.

Es ist still, nur das Rauschen der Bäume, Vögel zwitschern, ich lehne mich zurück und genieße den Augenblick. 

Es ist unglaublich schön. 
Alles, die Landschaft, das Grün, das Blau des Himmels, mein Gefühl, alles.
Ich glaube ich habe diese Schönheit, von dieser, eigentlichen ganz normalen Landschaft, hier in der Nähe des Sees, als ich jünger war, nicht gesehen. 

Damals war schön was spektakulär war. Wahrscheinlich hatte ich mir auch nicht die Zeit des Durchatmens genommen, gefangen in Verpflichtungen, die ich mir oft selbst auferlegte. Schnelligkeit mit dem Fahrrad, dem Auto oder Moped war wichtiger. Ohne Pause dann auf den Tennisplatz, dann nach Hause, abends vielleicht ins Kino und am nächsten Morgen vor dem Büro noch einen kleinen Waldlauf.
Es war keine Zeit, das Normale als schön zu sehen und auch so zu empfinden. Vielleicht war das nur bei mir so, aber ich glaube nicht, ich bin ja nicht außergewöhnlich, nicht anders als andere.
Ich wusste was wichtig war und was nicht, wusste wie ich dies oder das zu erledigen hatte und wusste vieles besser als die anderen.

Ich war ein ganz normaler junger Mann! 

Heute ist das anders, ich kenne meine Unzulänglichkeiten, sehe meine Fehler und versuche vieles nicht nur mit meinen Augen zu sehen.

Wenn man so auf einer Bank sitzt, zufrieden in die Umgebung schaut, fragt man sich auch immer wieder, in diesen stillen Momenten, warum, für was und für wen man eigentlich da ist.

Das muss dann jeder für sich selbst beantworten, es gibt kein Rezept, es ist sehr individuell und man muss es auch nicht unbedingt mit jemanden teilen. Hauptsache man weiß das selbst oder versucht zumindest es zu ergründen.

Ich, für meinen Teil hoffe, dass ich meiner Umwelt etwas geben kann und, dass andere erkennen wie wertvoll sie für mich sind. 

Und jetzt drehe ich das Kalenderblatt um, der erste!  
Schon wieder ein Monat davongelaufen, die Zeit läuft immer schneller, ich komme fast nicht mehr mit. Irgendwann werde ich dann wahrscheinlich stehenbleiben müssen, wenn das alles zu schnell für mich ist, aber bis dahin habe ich noch einiges vor.

Was, das weiß ich nicht immer, aber es ist einfach einiges!

Und immer wieder denke ich, dass wir aufwuchsen mit All you need is Love,  das ist wirklich das wichtigste, einzigartigste, wunderbarste im Leben, die Liebe.
Die Liebe zu allen und für alles.
Ich sag’ doch, es gibt einfach noch einiges, was zu erledigen ist.

Mein Großvater väterlichseits, hatte weißes welliges Haar, einen krummen, kleinen Finger, (weiß nicht warum, vielleicht vom Krieg, dachte ich), Hühner im Garten, keinen Führerschein, fuhr mit dem Bus von der Arbeit nach Hause, in sein kleines Dorf, in der Nähe meiner Heimatstadt. 
Vor dem Krieg hatten sie in der Stadt gelebt, in der Nordstadt. Als sie ausgebombt waren haben sie dieses kleine Haus in seinem Heimatort gebaut, er hatte 4 Brüder.

Nach der Gartenarbeit und dem Hühner füttern saß er auf der Couch, gegenüber des Kachelofens im Wohn/Esszimmer (das war recht klein, höchstens 20m2), er bat die Oma ihm seine Tropfen zu bringen (ich weiß nicht, für was das war). Als sie ein paar Minuten später ins Zimmer kam war er einfach gegangen. 
Einfach so, er wurde 73 Jahre alt. 
Ich war 21 und dachte jetzt muss ich doch etwas Klassisches auflegen. 
Ich saß in meinem Zimmer unter dem Dach, im Sessel, der keine Beine hatte, dachte an ihn, an den Aprikosenbaum im Garten, die Hühner, die Himbeersträucher, die Erdbeeren, an den alten Waschzuber für’s Gießwasser. 
Ich sehe mich, im Sessel ohne Beine, unter den schrägen Fenstern, heute weine ich nicht mehr, aber die Musik rührt immer noch mein Herz und ich sehe ihn, mit den welligen Haaren und spüre den krummen, kleinen Finger wenn er mir die Hand gibt.

Ich wünsche euch genau diesen, einzigartigen Sonntag.

Passt auf euch und andere auf.

Streit gibt es genug, also lasst das lieber und haltet stattdessen mehr zusammen.

Lieben Gruß vom See

Eckhard O/P

3 Kommentare

  1. Sabine G.

    Einfach nur schöne Worte, habe sie jetzt gelesen, am Bahnhof , der Seehas hat Verspätung. Ich freue mich schon auf einen kleinen Plausch in der Buchhandlung. Einen sonnigen Tag wünscht Sabine Gildner

  2. Thomas Feurer

    lieber ecki
    danke für deine gefanken, da bin ich ganz bei dir. zum glück öffnen sich die sinne mit dem älterwerden für die leiseren und unspektakuläreren dinge. nur mit dem schnelleren zerrinnen der zeit mag ich mich nicht beschäftigen und freue mich, dass eine minute immer eine minute bleibt. jene auf der bank mit blick zum see ist vielleicht sogar noch etwas länger ….

    herzlich thomas

    ps: ich habe dir eine email mit meinen augustgedanken gesandt

  3. Kathrin Brouwer

    Lieber Eckhard

    Das sind wunderschöne Worte, die mich berührt haben.
    Danke die dafür. Ich wünsche dir ebenfalls einen schönen Sonntag mit glücklichen Momenten.

    Liebe Grüsse

    Kathrin

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