Meine Lieben,
es war heiß in den letzten Wochen, zu heiß, um viele gute Gedanken zu haben, irgendwie war das Oberstübchen und was man sonst noch so braucht wie Leib und Seele gelähmt. Jetzt, nach einem erquicklichen, mehrtägigen Besuch in Wien ist das besser.
Ich finde fast alle Städte schön, aber Wien, Wien ist wirklich eine meiner Lieblingsstädte auf diesem alten Kontinent. Warum? Schwer zu beschreiben. Ja, ebenso ist die ganze Stadt für mich schwer zu beschreiben, irgendein bestimmtes Flair umgibt sie.
Während einer Geschäftsreise haben mein Chef und ich im Sacher logiert. Nach den immer gleichförmigen, ähnlichen Besprechungen und Präsentationen während der zehntägigen Reise haben wir uns dann abends ausgeruht, ausgelebt, bei Schnitzel, Tafelspitz, beim Heurigen, später dann hier und da einen „Absacker“. Das war schon was!
Weltstadt Wien und doch irgendwie heimelig, ja, München war mir auch immer heimelig, aber da habe ich ja auch länger gelebt.
Verrückt, daß man nach einiger Lebenszeit in München von diesem ganzen Drum und Dran so beeinflusst wird, daß man tatsächlich meint, woanders in Deutschland, in anderen Städten, da müßten die Menschen doch unglücklich sein, vor Sehnsucht vergehen, unwissend warum. Als Münchner oder jemand, der vorübergehend in München lebt, ist einem das klar, das mit der Sehnsucht.
Ich denke, in Wien ist das, wenn man länger dort ist, wahrscheinlich ähnlich, kann ich mir sehr gut vorstellen. Mich fasziniert diese Weltstadt, diese Metropole, diese habsburgische Größe spürt man auf jedem Boulevard, atmet man an jeder Ecke. Nicht nur in der Hofburg mit Nationalbibliothek und allem, was man sonst noch dort erwartet und nicht erwartet.
Überall!
Am Stephansdom an einer Buchhandlung vorbei schlendern, nein, eigentlich besser reingehen, jetzt komm ich da fast nicht mehr raus, in allen Buchhandlungen geht mir das so. Am stärksten in antiquarischen. Das liegt am Alter, also an meinem, nicht dem der Bücher.
„Es lebe der Zentralfriedhof …“, die Staatsoper, die Ringstraße, die Karlskirche … Jetzt komme ich mir fast schon wie ein Stadtführer bzw. die offizielle Marketingabteilung vor.
Später, als mein Boss und ich privat reisten, nachdem wir uns beide vom (Geschäfts)leben zurückgezogen hatten (retired), haben wir nochmals Wien besucht. Das sagt doch schon einiges aus, daß wir gerade Wien für unseren gemeinsamen Trip ausgewählt haben.
Ich wollte solche Reisen immer mit ihm in regelmäßigen Abständen wiederholen, aber dann kam die Pandemie und danach für ihn eine schlimme Krankheit, so eine, die einem den Atem raubt.
Man kann noch denken, aber es nicht mehr aussprechen.
Es tut mir sehr leid für ihn und ein bißchen natürlich auch für mich, selten glaube ich, daß eine Geschäftsbeziehung, speziell Chef und Untergebner (wie das klingt), sich in eine echte Freundschaft verwandelt.
Ich denke, unsere geschäftlichen Reisen – mit viel Zeit nach unendlich langen, ewigen Tagen in Besprechungsräumen, offiziellen Abendessen, aber dann den zweisamen Abenden mit Gesprächen über die Liebe, die Ehe, das Geschäft, Beziehungen, Sorgen und Nöte, Wünsche und Ängste, die Zukunft, den Tod, das Leben und den lieben Gott – haben unsere Beziehung sehr positiv beeinflußt. Aber auch diese Stadt Wien hat das.
Wien soll ja ein spezielles Verhältnis zum Tod haben, es gibt sogar einen Guide für das morbide Wien. Vielleicht hat die Aura dieser besonderen Stadt die meisten unserer Gedanken und Gespräche angestoßen. Ich war und, wie ich denke, mein armer Freund auch, immer glücklich darüber, denn es hat uns zu einer ganz besonderen, innigen Seelenverwandtschaft geführt, die ich nur mit wenigen habe. Ich hoffe und bin mir fast sicher, daß er es auch so empfindet, daß dieses Miteinander eine Bereicherung unseres Lebens war.
und „Das glückliche Geheimnis“ von Arno Geiger
Ich wünsche euch einen wunderschönen Sonntag.
Paßt auf euch auf, streitet nicht und haltet zusammen.
Lieben Gruß vom See
Euer Eckhard/Papa/Opa
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