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Am Morgen

Meine Lieben,

am Morgen, es ist zwischen 9 und 10 Uhr. Ich schaue durch das große Fenster, über den Sitzplatz, durch den Garten, am gegenüberliegenden Haus vorbei, übers Dorf, auf den See.

Eigentlich bin ich schon mit dem Frühstück fertig, trinke nur noch eine Tasse Tee. Ostfriesen mit Kandiszucker und Milch. Teetasse, Untertasse und Teller habe ich schon aufeinandergestellt. Hellbraun schwimmt der Tee in der weißen Tasse. Ein kleines Schälchen mit zerstampften Tomaten, mit Olivenöl und Salz steht noch links vor mir. Die Salami liegt eingepackt, na ich schneide mir noch ein kleines Rädchen ab. Das Opinel ist recht scharf, aufpassen!

Eine Elster hat es sich auf dem abgestorbenen Nussbaum bequem gemacht und schaut durchs Fenster mir zu. 

Es ist ruhig, der Hund schläft, die gelbe Rose in der kleinen Vase vor mir, blickt mich strahlend an. Im Pessoa habe ich heute schon gelesen, über Maximen.
Die Sägeuhr, rechts an der Wand neben mir, tickt die Zeit tot. Manchmal weiß ich nicht ob dieses Ticken mich stört oder ob ich es als beruhigend empfinde. Auf jeden Fall ist so ein Ticken etwas Endgültiges. Rechts am Fenster in der großen Sanduhr, sieht man zwar recht anschaulich wie die Zeit verfällt aber wenn der untere Glaszylinder voll bzw. der obere leer, dreht man die Uhr einfach um und es beginnt wieder von vorne. 

Im Leben ist das nicht so, da kommt dann eher etwas Neues, Unbekanntes, Geheimnisvolles.

Ich sollte vielleicht die Butter, die auf ihrem irgendwo geklauten Unterteller langsam weich wird, in den Kühlschrank stellen. Normalerweise sage ich Eisschrank, aber das ist ja so archaisch, deswegen hier Kühlschrank. Die drei kleinen Marmeladegläschen sind mit unterschiedlichen, ich achte immer darauf, dass es verschiedene Farben sind, Marmeladen (Gsels heißt das in meinem Dialekt) gefüllt. 
Meine Tabletten habe ich genommen, ja so ist das eben, irgendwann nimmt man regelmäßig Tabletten.

Jetzt kommt die Sonne, es ist fast halb 11 Uhr.

Der Rabe auf der Birke, etwa 50 m Luftlinie entfernt, sonnt sich.

Ende Oktober das Gras ist immer noch feucht und glitzert in der Sonne, funkelt, viele kleine Edelsteine. Es ist jetzt so hell, dass einem fast die Augen weh tun, man muss blinzeln. 

Der See ist strahlt, eigentlich eher wie ein Spiegel. Er blendet uns mit seiner Schönheit, Angeber! Aber wie heißt das „wer ko, der ko“ und er kann.

Ich lehne mich zurück, trinke noch einen Schluck Tee und genieße die Zeit, die an mir einfach nur so abtropft und mich. Dieses und mich ist mir irgendwie so reingerutscht in meinen Entwurf, gehörte eigentlich gar nicht dahin. Aber jetzt beim Überlesen dachte ich, warum nicht. Ich genieße das alles und mich, stimmt doch.

Seltsamerweise genieße ich auch diese Stille, keine Musik, keine Nachrichten, nur die Uhr, der Hund, der ein- zweimal schwer durchatmet.  
Was für ein zufriedenes, friedliches, angenehmes Gefühl.

Ich wünsche euch einen friedvollen Sonntag, vielleicht mit einem Buch? Italo Calvino, Der Baron auf den Bäumen und musikalisch genießt ihr einfach Adriano Celentano. Das Original von 1966  https://youtu.be/_sYDfESbJAY und weil’s so schön war, hier noch eine Version, live in Berlin https://youtu.be/iVa4WeZ3wJE 

Lieben Gruß (heute aus Hofheim)

Gebt auf euch acht!

Papa/Eckhard

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