Meine Lieben,
die Vögel zwitschern. Am Himmel ein paar kleine, dicke, weiße Wolken, wirklich nur ein paar.
Die Sonne läßt sich durch die wenigen kleinen Dinger nicht stören. Ungebremst schickt sie uns ihre Wärme.
Die ersten Rosen blühen und die Pfingstrosen, weiter unten im Hang, haben schon dicke Knöpfe und warten darauf, daß es Pfingsten wird und sie dort dann ihre Pracht entfalten dürfen.
Neben mir eine Kanne japanischer Hojicha, ab und zu nehme ich einen kleinen Schluck.
Spotify versorgt mich mit melancholischer Musik, was zur Folge hat, daß ich beginne, versonnen in die Welt zu schauen.
Die Gräser unter dem alten Rosenstrauch, der sie vor der Mähmaschine schützt, tanzen leicht, wirklich gaaanz leicht im Wind, so stelle ich mir vor, daß Feen tanzen würden.
Keine Ahnung, wer da so an meiner linken Seite brummt, Wespe, Hummel, Biene oder womöglich eine Hornisse?
Ich will es gar nicht wissen und lasse mich nicht stören.
Verpaßt.
Jeder Mensch hat schon irgendetwas verpaßt, etwas versäumt.
Den Bus, den Zug, die U-Bahn, eine Aufführung, die man unbedingt sehen wollte, oder einen Freund, der sich einfach in der Vergangenheit verloren hat und bis jetzt nicht in die Gegenwart zurückfand, einen Wusch, der ein Traum blieb, oder einen Kuß, den man nie küßte.
Was habe ich verpaßt?
Ja, verschiedene Klarstellungen, auch einige Liebeserklärungen, immer hoffend, daß sie auch unausgesprochen ankommen würden.
Von den ganz „normalen“ Dingen?
Ein Instrument spielen zu lernen.
Klavierspielen habe ich im zarten Alter von zehn Jahren aufgegeben, Gitarre habe ich versucht, aber es schon bald wieder sein lassen. Ziehharmonika finde ich schön, auch Trompete oder Klarinette.
Um wirklich, richtig gut Tennis zu spielen, war ich nicht fleißig genug, wollte immer gleich Spiele machen, anstatt zu üben. Für Golf, hier hatte ich sogar mal zehn Stunden mit einem Pro, hat mir das Durchhaltevermögen gefehlt.
Im Wege stand mir, bei allem, egal, was es auch war, meine Ungeduld!
Alles schnell erreichen zu wollen und wenn das nicht funktioniert, dann „that’s it“ anstatt es wieder und wieder zumindest zu versuchen. Natürlich, weiß ich, daß Ausdauer das Wichtigste ist, aber das zu wissen, ist eines, und sie zu haben, ist etwas anderes.
Obwohl, ganz so stimmt das doch nicht, wenn ich wirklich etwas wollte, wirklich wollte, dann konnte ich doch sehr beharrlich sein und habe nicht aufgegeben.
Was wieder zeigt: Wenn man etwas wirklich will, dann erreicht man das in der Regel auch.
Tut mir es trotzdem leid, daß ich einiges verpaßt, nicht so nachverfolgt habe?
Ja, schon.
Jetzt, da die Zeit knapper wird, fällt mir das umso mehr auf, automatisch denkt man: „Bis ich das jetzt einigermaßen anständig beherrsche, so in etwa … Jahren, da bin ich ja vielleicht schon nicht mehr da.“
Ja, ja, ich weiß, es ist dumm so zu denken, es ist immer noch genügend Zeit, aber so ganz kann man sich solcher Gedanken eben nicht erwehren.
„Eins, zwei, drei im Sauseschritt“, heißt das bei Wilhelm Busch. Vor fast 150 Jahren hat er das im „Julchen“ geschrieben und nichts hat dieser Spruch von seiner Aktualität verloren. Geschwindigkeit, Eile, die Unaufhaltsamkeit der Zeit, und wenn man weiß, wie der Spruch weitergeht, „wir laufen mit“, daß uns nichts übrig bleibt, als mit ihr mitzuhalten, bis es eben nicht mehr geht.
Im nächsten, falls es das gibt, Leben kann ich ja dann versuchen, diese verpaßten Dinge nachzuholen, wenn sie mir immer noch wichtig sein sollten.
Es kommt natürlich darauf an, als was man dann wieder auf diese Welt käme, die Prioritäten verschieben sich ja, ein Hund, eine Ameise, ein Politiker, ein Elefant oder ein Lehrer haben ja unterschiedliche Wünsche und Begehrlichkeiten.
Ein Sturm kommt auf, die Bäume schwanken im Wind, erste Regentropfen, das ging jetzt aber schnell! Na, dann passen wir uns eben an, das ist sowieso das Wichtigste, daß man sich anpassen kann, sich schnell und ohne Schwierigkeiten auf neue Situationen und Herausforderungen einzustellen weiß.
Ich habe mal gelesen, daß Anpassungsfähigkeit eine Kernkompetenz der Menschen ist, so kann man Veränderungen oder Krisen beruflich wie auch privat eben meistern.
Na, dann!
Ich wünsche euch einen flexiblen Sonntag,
paßt auf euch und die anderen auf, streitet nicht und
haltet zusammen.
Lieben Gruß vom See
Euer Eckhard/Papa/Opa
P. S. Zum Lesen: Ryszard Kapuscinski, Imperium, zum Anhören: Don Williams https://youtu.be/Bjz6NqBP_LY
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