Meine Lieben,
von Zeit zu Zeit kommt mir der Gedanke: „Jetzt werde ich alt.“, dann aber wieder merke ich, dass das irgendwie nicht stimmt.
Ich wäre doch so gerne ein milder, gütiger Großvater, so gerne!
Ich schaff’ das einfach nicht, kann leider über manches nicht hinwegsehen, mich entsprechend zusammennehmen.
Man liest immer allenthalben von diesen milden, gutmütigen Großvätern. Wie machen die das bloß?
Langsam denke ich, die waren wahrscheinlich schon immer milde und gutmütig, auch in der Prä-Großvater Zeit.
Das waren die, die nie irgendwelche frechen Antworten dem Lehrer gaben, immer die Hausaufgaben machten, bei der Bundeswehr, falls sie wehrpflichtig waren, auf Streife immer brav ihre Runden drehten und nicht in einem offenen, abgestellten LKW die Zeit bis zur Ablösung verbrachten; da gibt es noch einiges zu erzählen…….
Was mir aber auch – im Zusammenhang mit Enkeln – einfällt ist, dass man irgendwie ängstlicher wird.
Viele Male hat man irgendwas unternommen, eine Bergtour, einen hohen Aussichtsturm bestiegen oder eine Bootstour gemacht und fand das alles irgendwie schön und normal.
Als ich kürzlich mit meiner Enkelin den Rheinfall besuchte, eben diese Bootstour in die Nähe des Wasserfalles machte, fühlte ich mich plötzlich unwohl, das Herz krampfte sich zusammen, ich hatte schwitzige Hände. Die Natur drängte mich zur Vorsicht, zur Verantwortung, zum Festhalten, zum Beschützen – und da alles aus heiterem Himmel.
Unglaublich!
Jetzt sitze ich auf der überdachten Terrasse, einige schwarze Wolken, in der Ferne donnert es.
Ich hab’ einen langen Spaziergang mit Brunello gemacht, zu etwas ungewöhnlicher Zeit, am sehr frühen Nachmittag.
Er war so erstaunt wie ich, aber heute ist einfach ein anderer Tag.
Der erste Tag diesen Sommer, an dem ich nach längerer Zeit wieder alleine am See bin.
Die besuchenden Enkel sind wieder auf dem Weg nach Hause, meist hab ich die Zeit mit Ihnen genossen.
Aber heute genieße ich diesen Allein-sein-Tag.
Ich bin etwas später aufgestanden, habe in Ruhe gefrühstückt, mir dann eine Einkaufsliste gemacht, habe das Bad geputzt und den Automaten im Gästezimmer zum Arbeiten geschickt.
Die Kaffeelöffel wieder so sortiert, wie ich das gerne habe und und und und und……
Eben mein ganz normales Leben wiederhergestellt.
Trotzdem war noch viel Zeit und wenn ihr jetzt denkt, ich könnte mit meiner Zeit nichts anfangen, doch ich kann!
Es standen noch Seifenblasen auf dem Tisch, in diesem bekannten, blauen Behältnis, weiß jetzt nicht wie ich es anders nennen soll, auf jeden Fall habe ich erst einmal ein paar Seifenblasen gemacht.
Wunderschön wie sie in der Sonne glitzern, davonschweben und sich dann einfach auflösen, puff, weg!
Vor einem Spielzeuggeschäft in Radolfzell – das ist übrigens wirklich noch ein richtiges, reines Spielwarengeschäft – sitzt über der Eingangstür ein kleiner Bär, der macht auch immer Seifenblasen, super!
Die Kinder, Mütter und Opas bleiben stehen und sehen zu. Die Mütter etwas ungeduldiger, sie müssen wahrscheinlich noch einiges erledigen; das ist bei Opas nicht so.
In Pforzheim in der Nordstadtapotheke gab es einen Turner (eine Puppe) im Schaufenster, die hat immer einen Überschlag am Reck gemacht. Ich fand das immer wunderbar; ich glaube, diese dargestellte Fitness hatte irgendetwas mit Knoblauchpillen zu tun.
Jetzt, da ich das nochmal überlese, fällt mir sogar der Name wieder ein: Ilja Rogoff. Ja, so hieß der Turner oder das Produkt. Keine Ahnung, ob es das heute noch gibt. Auf jeden Fall turnt er nicht mehr am Reck in der Nordstadtapotheke, habe ich überprüft.
Ich könnte ja mal im Laden fragen, ob sie den Ilja noch irgendwo im Magazin haben, den würde ich kaufen und zu Hause turnen lassen.
Im Moment sitze ich am Tisch und habe ein Buch von Martin Walser vor mir.
Der Tod macht einem bewusst, was man mal wieder lesen sollte, bevor es zu spät ist.
Der gelbe Stabilo, mit dem ich für mich wichtige Stellen markiere, tanzt im Augenblick zwischen Zeigefinger und Daumen, schlägt kurz auf dem Tisch auf und macht einfach weiter seine Überschläge. „Wir machen alle gute Miene zu einem Spiel, das auf jeden Fall für uns alle tödlich endet.“ habe ich gerade angestrichen.
Am gegenüberliegenden Ufer fährt der Zug mit einer Gleichmäßigkeit, als könnte nichts und niemand ihn aufhalten.
Also ihr seht, ich lasse die Zeit an mir herunterlaufen. Sie sammelt sich zu meinen Füßen wie ein großer See. Wenn der Zeitstand dann zu hoch ist – so quasi Oberkante Unterlippe – wird man wahrscheinlich kurz danach in diesem Zeitmeer ertrinken.
Ich wünsche euch einen langweiligen, erreichnisreichen
Sonntag, streitet nicht, haltet zusammen und passt
wie immer auf euch und die anderen auf!
Lieben Gruß vom See
Euer Eckhard/Papa/Opa
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