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Gold, Weihrauch und Myrrhe

Meine Lieben,

in vier Tagen ist Weihnachten. Ein Weihnachten, ein wenig anders als die Weihnachten der vergangenen Jahre. Eingeschränkte Besuche, keine großen Familienfeiern, aber das wird bestimmt alles wieder, so wie es immer war. In einem Märchen würde es heißen „und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende“ wobei in diesem Fall das „lebten vergnügt“ durch „feierten“ ersetzt werden müsste.

Zuhause feierten wir, sogenannte traditionelle Weihnachten. Als Kind versteht man zwar nichts von Tradition, aber später kann man sich ein ganzes Leben daran entlang hangeln. 

Exkurs: Gestern hatte mein ältester Sohn Geburtstag. In der Woche vor dem Geburtstermin wurde ich zweimal aus der Vorlesung geholt: “es wäre jetzt soweit!“ 

war’s aber jedes Mal nicht. Am 19. gingen wir morgens zum Termin, die Geburt sollte eingeleitet werden (wahrscheinlich wollten die über Weihnachten ihre Ruhe haben). 

Die Hebamme erklärte mir, das geht noch eine ganze Weile, sie können heute um die Mittagszeit wiederkommen. 

Ok, dann schreibe ich heute Vormittag noch die Arbeitsrechtsklausur und bin dann gegen 13.00 zurück. Gesagt, getan.  

Am frühen Nachmittag war ich zurück. 

Klausur geschrieben, an das Ergebnis kann ich mich nicht mehr erinnern, aber bestanden hatte ich. 

– Die Geburt zog sich hin, nach dem Motto „gut Ding will Weile haben“. Gegen 19 Uhr informierte mich die Schwester, dass jemand vor Türe des Kreißsaales für mich war, ich solle mal kommen.

Ich raus, da stand mein Vater. „Du brauchst doch bestimmt Stärkung“ und wollte mir eine Flasche Bier und ein Wurstbrot geben. 

Danke, kann jetzt aber nicht! Zurück in den Kreißsaal.

Das Kind kam um 21.22 Uhr, alle glücklich.

Irgendwie passt doch so eine Geburtsgeschichte dann doch zur Weihnachtszeit, wenn es auch eher Bier und Wurstbrot war, anstatt Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Also, schon während des Advents versuchte meine Mutter ab und zu eine ruhige Stunde am Spätnachmittag einzuschieben, wir tranken Tee, aßen Weihnachtsbrötchen, sie übte schon mal am Klavier einige Weihnachtslieder. Mein Lieblingslied war und ist „Das Christglöckchen“. Es beginnt recht getragen, ich könnte das euch jetzt vorsummen und geht dann über in ein Potpourris von bekannten Weihnachtsliedern.

Am 24. blieb das Wohnzimmer für uns versperrt. Wir hielten uns auch daran, denn wir wollten ja das Christkind nicht davon abhalten den Baum zu schmücken und hoffentlich auch Geschenke für uns unter den Baum zu legen. Hatten wir doch recht eifrig auch im Vorfeld einen Wunschzettel geschrieben. 

Am Nachmittag, so gegen 4 Uhr, gingen wir alle gemeinsam auf den Hauptfriedhof, haben bei den Gräbern unserer Verstorbenen eine Kerze angezündet, schweigend an sie gedacht und dann, um 17.00 Uhr, am großen Tannenbaum am Haupteingang dem Posaunenchor zugehört.

Wieder zurück, es war jetzt schon dunkel, ins Kinderzimmer, umziehen, bessere Hose, Hemd, eine kleine Fliege oder Krawatte, Jacket. Unsere Eltern hatten sich ebenfalls umgezogen, Vater im dunklen Anzug und Mutter in einem dunklen Kleid. Weil sie aber noch einiges in der Küche vorbereiten musste, hatte sie drüber einen Schürze gebunden. Tante Elsa war schon da, sie kam mit dem Taxi vom Martinsbau, wo sie seit einigen Jahren ein Zimmer im Altenheim bewohnte.

Als ich viele Jahre später am Sedanplatz wohnte, konnte sie mir von ihrem sehr kleinen Balkon zuwinken. Ich habe heute noch ein schlechtes Gewissen, dass ich manchmal so getan habe als sehe ich das nicht, ein Besüchle wäre längst fällig gewesen. 

Oma und Opa kamen die 80 Treppenstufen hoch, mit einem Wäschekorb voller Geschenke, das haben wir natürlich nur durch den Türspalt gesehen. Sie verschwanden im Wohnzimmer, kamen aber auch gleich wieder heraus. weniger bepackt. Auch sie waren im „Sonntagsstaat“. Die Spannung stieg.

Endlich, endlich hörten wir ein Glöckchen läuten. 

In Reih und Glied standen wir vor der Tür des Herrenzimmers, hier musste man durch, um ins Wohnzimmer zu gelangen. 

Beim „Einzug“ spielte meine Mutter auf dem Klavier besagtes Christglöckchen, mein Vater Geige. Als wir dann  älter waren spielte mein jüngerer Bruder Klarinette.

Alle setzten sich. Mein Vater stellte sich hinter einen Sessel, der im Durchgang vom Herrenzimmer zum Wohnzimmer stand. Ich saß in der Regel auf diesem Sessel. Seine Rede begann immer mit den Worten Weihnachten zuhause…………., er vergaß keinen bei seinem Jahresrückblick. Schmückte das durch kleine Anekdoten, wie es in der Schule war, was meine Mutter oder die Großeltern großartiges geleistet haben. Er erwähnte auch alle, die jetzt nicht bei uns im Raum waren, zum Beispiel meinen älteren Bruder, der bei der Bundeswehr Dienst hatte. Einmal kam er später am Abend während einer Dienstfahrt mit einem Kollegen vorbei. Er gedachte auch derer, die uns in diesem Jahr verlassen hatten (gestorben) oder auch schon länger nicht mehr bei uns waren. 

Wie gesagt, keiner wurde vergessen!

Dann schwenkte er meist über zur großen Weltpolitik. Heute würde er wahrscheinlich über die Flüchtlingskrise sprechen, dass es nicht richtig ist, wenn Menschen ihre Heimat verlassen müssen, im Mittelmeer ertrinken oder seit vielen Jahren Menschen in Flüchtlingscamps leben müssen. Im Extremfall sogar ein ganzes Leben. Vielleicht auch würde er auch erwähnen, was die Grundlage für dieses heutige Elend ist.

Darüber könnt ihr euch ja selbst Gedanken machen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass er die Familie auffordern würde für die Demokratie aufzustehen.

Viel ist dem nicht hinzuzufügen. Ich wünsche euch und allen Menschen ein friedvolles, besinnliches Weihnachtsfest. 

Für mich persönlich wünsche ich, dass ich im neuen Jahr etwas toleranter, großzügiger, liebevoller, mehr ein Kümmerer, weniger ein Einmischer bin. Mit anderen Worten, ein bissel mehr ein besserer Mensch.  

Lieben Gruß vom See.

Gebt auf euch acht!

Papa/Eckhard

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