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Mundart – Autokennzeichen und stehende Zeit

Meine Lieben,

wir fahren auf der Autobahn, Richtung Hofheim. Vom See aus sind das fast 400 km. Als Beifahrer ist das natürlich angenehmer als als Fahrer(in). Man schaut sich die Landschaft an, spielt am Touchscreen des Fahrzeuges und versucht herauszufinden wie es funktioniert. Übrigens findet man nie alles heraus, da gibt es immer noch irgendwelche Geheimnisse, die ewig verborgen bleiben, ein ganzes Autoleben lang.

Ah! Der kommt aus Böblingen! Und der aus Sinsheim! Was ist denn MA? Klar! Mannheim! Als Kinder haben wir während langen Autofahrten immer Kennzeichenraten gespielt – oder wenn das langweilig wurde, mit unseren Eltern gesungen.

Bis heute kenne ich fast alle Kennzeichen und wenn ich eines einmal nicht kenne, dann ist das bestimmt ein Ostdeutscher. Die sind immer noch neu für mich, denn im fortgeschrittenen Alter habe ich nicht mehr Kennzeichenraten gespielt.

In diesem Zusammenhang fällt mir auf, dass man manchmal doch stehen bleibt! Nicht auf der Autobahn, ich meine im Leben.
Ich versuch das mal zu erklären:
Als ich 20 Jahre zählte und traf damals jemand meines heutigen Alters, dachte ich, „Mein Gott ist der alt!“.  Man hat ein gezähltes Alter aber ich habe das Gefühl man bleibt irgendwie stehen. 

Wenn einer mit „EF“ vorbeifährt, dann ist der aus Erfurt, das habe ich inzwischen mitbekommen. Ich schaue ins Auto hinüber und denke: „wie fühlt der sich wohl jetzt im Westen?“ Er ist aber etwa 30 gezählte Jahre alt und hat die DDR gar nicht mehr richtig erlebt.
Naja, irgendwie habe ich mich dummerweise noch immer nicht ganz daran gewöhnt. Es stimmt vielleicht, dass es eine ganze Generation braucht bis das alles im Lot ist.

„B“, der ist aus Berlin, das gab es auch vorher schon. Ich hab’s nicht so mit dem Nordosten, ich bin eben aus dem tiefen Südwesten.
Es gibt übrigens doch einen Vorteil, wenn man aus Berlin ist.  Als Schauspieler speziell bei Krimis oder Familienserien im TiVi ist der Berliner Dialekt ein Vorteil. Regisseure bevorzugen ihn, auch sonst ist es anscheinend einfach chic wenn man etwas „berlinert“.  „Icke“ oder „wat denn“ sagt. Andere Dialekte haben anscheinend für die Filmemacher nicht diesen Charme. Warum, das kann ich nicht erklären.

In diesem Zusammenhang wollte ich mal eine Beobachtung mitteilen: Schauspieler sprechen oft mit vollem Mund! Wenn ein Kind also den Berufswunsch „Schauspieler“ äußert, tun die Eltern gut daran ihm beizubringen mit vollem oder halbvollem Mund zu sprechen. Das entspricht zwar nicht der üblichen Etikette, ist für‘s Schauspielern aber eine conditione sine qua non.
Achtet mal drauf wenn ihr mal wieder fernseht. Und im übrigen wundert es mich immer wieder, dass die Menschen in diesen Vorabendserien in Villen am See wohnen, die ich mir nicht leisten könnte. So ist das eben im Film, Traumfabrik! 

Ah, PF! Und noch ein PF! Die fahren wohl gemeinsam irgendwo hin. Ich schau rüber. Kenn‘ ich die? Nö, kenn‘ ich nicht. Naja, meine Heimatstadt hat ja inzwischen auch über 120.000 Einwohner. Alle kann ich ja nicht kennen. 

Wir fahren im Auto mit einer HG Nummer (das ist in Hessen) durch Baden-Württemberg und wenn ich zu den anderen Autofahrern hinüberschaue, dann möchte ich am liebsten rufen: „Ich bin auch von hier! Das mit der HG Nummer ist nur ein Schein, mein Sein ist hier, ‚I bin von do‘!“

So ist das eben mit den Kennzeichen, der Heimat und dem Dialekt. Von dem Andreas Egert übrigens sagt: „ Dialekt: tapferer Gegner der totalen Gleichschaltung.“

Zum Hören: Na, Richard Starkey – er wurde kürzlich 80 (gezählte) Jahre alt – Photography!
Zum Lesen,…  ich bin immer noch bei meinem Tolstoj von der letzten Woche, probiert es mal, lohnt sich wirklich!

Lasst es euch gut gehen und gebt auf euch acht.

Lieben Gruß aus Hofheim

Papa/Eckhard

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